Das ewige Reisen – ich bin es ebenso gewohnt wie die Ungewissheit. Auch diesmal hat man mich über Ziel und Zweck meiner Fahrt im Unklaren gelassen. Das Essen ist dürftig und die Luft schrecklich stickig. Die Tage sind wie die Nächte: lang, dunkel und ereignislos. Ich erdulde es mit dem mir eigenen noblen Gleichmut. Wenn ich nur wüsste, wo es hingeht. Und was mich dort erwartet.
Irgendwann, irgendwo öffnen sich die Türen und bleiche Gesichter blicken mich erwartungsvoll an. Wo eben noch Gitter waren, sehe ich jetzt einen Durchgang. Kalter Wind weht in meine Kammer, fürchterlich ist das. Viel zu kalt für eine Dame. Ich bin zwar nicht mager, das nicht, aber gegen diese bittere Kälte komme ich beim besten Willen nicht an. Warum soll ich bei so einem Wetter aussteigen? Pah, wenn diese Voyeure denken, dass ich mich auch nur einen Millimeter von der Stelle rühre, dann täuschen sie sich aber gewaltig!
Nach einiger Zeit gehe ich doch hinaus. Ich tue den Schaulustigen nur ungern den Gefallen, muss mir aber dringend die Beine vertreten. Außerdem habe ich einen Bärenhunger. Über ein breites Holzbrett schreite ich langsam nach draußen, bis ich auf einem harten, grau-braunen Boden stehe.
Und dann sehe ich ihn. Kräftig ist er, regelrecht massiv. Sein schwarz-weißer Anzug wirkt elegant, aber sein lahmer Schritt und der trübe Blick lassen auf eine bäuerliche Herkunft schließen. Er mustert mich und grinst.
Auf einmal ist mir alles klar. Eine arrangierte Verbindung. Ich soll das sein, was man bei uns eine „Sichere“ nennt. Ich senke den Kopf. Eine nicht gekannte Abscheu steigt in mir auf.
Ich bin mir der Blicke um mich herum sehr bewusst. Aus diesem Grund, und weil ich weiß, was sich gehört, frage ich höflich: „Hast du schon gegessen?“
Er brummelt etwas, das wie „huschi-buschi“ klingt. Na toll. Wir stammen aus dem gleichen edlen Land, aber er kommt aus dem Süden, wo sie einen ruppigen, wenig charmanten Dialekt sprechen. Nicht genug also, dass ich es mit einem ungehobelten Klotz zu tun habe, nein, er beherrscht noch nicht einmal die Feinheiten unserer Muttersprache.
Er grunzt ein paar Mal in meine Richtung und eine Wolke ungewohnter Gerüche schlägt mir ins Gesicht. Was hat dieser Dickwanst bloß gegessen? Meine feine Nase riecht Fleisch und mir unbekannte Kräuter. Der Wind weht mir die scharfen Düfte immer wieder entgegen, sodass ich gezwungen bin, den Kopf abzuwenden.
Wenige Augenblicke später dreht er sich um und trottet davon. Einfach so. Vor allen Leuten. Klarer hätte er sein Desinteresse an meiner Person kaum ausdrücken können. Nicht, dass ich unbedingt mit ihm warm werden wollte. Aber dieser plakative Abgang … Stillos ist das, und unverschämt. Eine Frechheit!
So ein Flegel. Von mir wird er nichts bekommen, gar nichts. In diesem Moment beschließe ich, diesen übergewichtigen Tölpel keines Blickes mehr zu würdigen. Wenn er in meine Nähe kommt, werde ich ihn nicht beachten. Wenn er mich anspricht, werde ich nicht darauf reagieren. Wenn er, Gott bewahre, körperlichen Kontakt suchen sollte, werde ich ihm die Zähne zeigen, und zwar so, dass er es nicht noch einmal versuchen wird.
Ich laufe los, um etwas zu essen zu finden.
Als Leihgabe der chinesischen Regierung lebte das Pandaweibchen Yan Yan zwölf Jahre lang im Zoologischen Garten Berlin. In dieser Zeit zeigte sie wenig bis gar kein Interesse an ihrem Partner Bao Bao. Weder auf natürlichem noch auf künstlichem Wege gelang es, den ersehnten Nachwuchs zu produzieren.